Dienstag, 15. Juli 2008

Im Berg-Trikot, die Zweite

Liebe Leute,

bitte entschuldigt, dass ich meinen Rennbericht gestern Abend nicht mehr zu einem Ende bringen konnte, aber ich war echt totmüde, und mit unserer Anmeldung für Klagenfurt war ich auch so noch bis ein Uhr morgens beschäftigt. Das war übrigens eine echte Nummer. Schon nach 92 Minuten, wie Bergedorf-Maik mir heute Morgen schrieb, war das Rennen ausverkauft. Er selbst hat es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft. Sehr schade. Ich hätte ihn gerne bei diesem Abenteuer dabei gehabt. Aber vielleicht aber gibt es ja noch eine Möglichkeit der Nachmeldung.

Wir anderen sind jedoch alle drin: Anna, Thomas, Martin und auch mein Freund Berlin-Axel alias Schubsen (kommt von Schubert). Nur Dirk habe ich nicht in der Liste gefunden. Er hatte anscheinend mehr Lust auf Frankfurt, wo er sich schon vor zwei Wochen einen Startplatz gesichert hat. Auch das finde ich, siehe Bergedorf-Maik, sehr schade.
Aber lasst doch mal hören: Ist sonst noch jemand von Euch da draußen dabei? Gebt mal kurz Laut, bitte.

Jogel und ich vor der Abschluss-Etappe von Feltre nach Bibione

So, jetzt aber weiter mit dem Rennbericht von der Transalp. Wo waren wir stehen geblieben? Ah ja, bei der Bergankunft der Königsetappe in Falcade und meiner Massage. Bei der anschließenden Pasta-Party saßen wir mit Andreas und Elmar vom Team "Wiehenreiter" zusammen. Die Beiden nennen sich so, weil sie oft im Wiehengebirge trainieren. Man musste also nicht befürchten, dass sie die ganze Zeit beim Radeln wiehern würden. Das war ein netter Abend, an dem wir schon mal ein paar Bierchen kreisen ließen. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Beiden rund 14 Minuten im Gesamtklassement hinter Jogel und mir, und wir flachsten die ganze Zeit rum, dass sie das wohl nie mehr aufholen könnten.

So ganz sicher war ich mir diesbezüglich jedoch nicht mehr, als sie am nächsten Morgen sofort am ersten Berg, dem Passo Valles, schon nach drei von 12 steilen Kilometern an mir vorbei eilten. Und das, obwohl sie zwei Minuten später als wir im C-Block gestartet waren. Nein, also das sah nicht so gut aus für mich – wirklich nicht. Aber wieder einmal hatte ich mir vorgenommen, langsam anzugehen. Denn der Passo Valles ist ein ganz schöner Brocken, und man tut gut daran, sich nicht zu früh zu verausgaben. Aber dennoch, als Jogel, der kurzzeitig mal wieder ein paar hundert Meter vor mir gefahren war, meinte, dass die "Wiehenreiter" kurz vor dem Erreichen der Passhöhe schon gut fünf Minuten Vorsprung hätten, fühlte sich das für mich nicht besonders gut an.

An den folgenden zwei Pässen, dem Passo Rolle und dem Passo Cereda konnte ich jedoch wieder Boden gut machen, und auf der Abfahrt tauchten die blauen Trikots unserer Kumpels plötzlich wieder vor uns auf. Das die Beiden sich an einer Verpflegungsstelle einen taktischen Fehler geleistet hatten, der sie wohl drei/vier Minuten gekostet hatte, erfuhren wir erst am Abend – aber wen juckte das schon?!

Das "ATV-Müller-Brothers"-Team am nächtlichen Strand von Bibione. Die Transalp: Ein tolles Erlebnis unter Brüdern!!

Fortan, machten wir mächtig Dampf im Flachen. Einige enge, dazu von Tropfwasser nasse, und obendrei völlig dunkle Tunnels (O-Ton vom Rennleiter bei der Besprechung: "Das ist so dunkel wie in der Hosentasche eines Sudanesen.") waren zu durchfahren, was uns jedoch nicht abhielt, kontrolliert schnell weiterzufahren. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt, dass ich die Beiden nie mehr davon ziehen lassen würde. Gesagt getan: An einem kleineren, rund fünfminütigen Anstieg, versuchten sie es zwar, mich loszuwerden, aber da war nix zu machen. Ihr anfänglich herausgefahrenen fünf Meter drehte ich in 20 Meter für mich um. Allerdings brachte das nichts ein, denn ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt zwickte Jogels Knie und er konnte uns nicht folgen.

Aber auch das spielte keine große Rolle, denn einige Minuten später kam er im Verbund mit 150 Fahrern an uns vorbei geschossen. Nach 116 Kilometern und 2640 Höhenmetern war also eine Massenankunft in Feltre angesagt, und dazu braucht es eine gehörige Portion Konzentration. Aber es ging alles gut, und so ließen wir in der der für ihre Brauerei bekannten Stadt die Berge endgültig hinter uns. Schon an diesem Abend war ich überglücklich. Denn ich hatte sie besiegt, jene Berge, die mir vor vier Jahren so heftige körperliche und auch lange Zeit noch nachwirkende seelische Schmerzen bereitet hatten.

Zur Belohnung tranken wir einige Bier des leckeren trüben Gerstensaftes der hiesigen Brauerei zu viel an diesem Abend. Aber was machte es schon. Wir lagen auf den 232. Rang, die "Wiehenreiter" (stichelten wir herzlich) immer noch 13 Minuten hinter uns – die Welt war in Ordnung. Wäre da nicht die letzte, 155 Kilometer lange Flachetappe am nächsten Tag gewesen, die uns, und mir insbesondere, mächtig Angst machte. Würde das Feld vernünftig agieren? Kämen wir ohne Sturz ins Ziel? Ich hätte mir diese Kilometer am liebsten gespart. Ganz ehrlich.

Von links oben im Uhrzeigersinn: Elmar, Iwan, Barbara, Andreas, Mathias, Jogel – alle glücklich, alle beschwippst

Und gerade weil Jogel und ich äußerst vorsichtig an diese Sache ran gingen, verpassten wir direkt unseren B-Block-Bus. Wir konnten gar nicht so schnell gucken wie sie davon brausten. Und schwuppdiwupp, fuhren wir nur mit Carola Felchner und Dirk Zedler vom "TOUR-Team" und zwei anderen Radlern dem großen Feld hinterher. Und dann, ich kann Euch sagen, haben Jogel und ich echt gekämpft, um uns zumindest an eine weitere kleinere Gruppe vor uns, heranzufahren. Aber wir schafften es einfach nicht. So sehr wir es auch versuchten. Zu meiner Enttäuschung waren die beiden TOUR-Redakteure keine große Hilfe, aber ich glaube Dirk wollte nur seine Freundin Carola schützen, in dem er uns die Arbeit machen ließ. Cleverness gehört halt auch zum Radsport.

Nach rund 50 Kilometern waren wir zwei jedenfalls schon ganz schön angeschlagen. Und genau in diesem Moment kam von hinten der fast 300 Mann starke C-Block-Bus angerauscht. In meiner Angst ließ ich mich bis ans Ende dieser Gruppe zurückfallen. Erst da fühlte ich mich einigermaßen sicher. Und es ging voran. Nachdem, skandalöserweise, auf einem nur zwei Meter breiten Radweg irgendwann plötzlich ein Auto den Weg versperrte, war es mit dem Geschwindigkeitsrausch jedoch vorbei. Nun mussten wir in kleinen Gruppen weiterkämpfen. Dazu wurde es, mit jedem Meter, den wir uns Bibione und der Adria näherten, heißer und heißer.

Irgendwann nach rund 4 Stunden und einem Schnitt von kurz unter 37 km/h waren wir dann jedoch in Bibione. Einmal noch rechts abgebogen, einmal links, eine Gerade direkt zum Meer, noch eine letzte Linkskurve, der Griff zu Jogels Hand – und wir hatten es geschafft. 859 Kilometer und 16849 Höhenmeter lagen hinter uns. Und das war gut so. Denn, und ich machte diese Beobachtung bei vielen anderen Fahrern, mit einem Mal fiel eine riesige Anspannung von uns ab. Ohne Scheiß, mein Bruder war total platt und hatte Tränen in den Augen. Und als ich drei Minuten später unser Eltern anrief, um mitzuteilen, dass ihre Söhne kaputt aber dennoch heil im Ziel angekommen sind, haben die beiden am anderen Ende der Leitung aufgrund meines Schluchzens auch nicht wirklich viel vestanden.

Aber ist es nicht schön, wenn man seinen Gefühlen nach all den Anstrengungen, all den Schmerzen, den Kämpfen mit dem inneren Schweinehund, ja einer ganzen Meute von Vierbeinern, seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann?! Ich fand es herrlich befreiend. Und ich fand es fast schade, dass mich die Endorphinausschüttungen und das Schluchzen irgendwann verließen. Ein Highlight wartete jedoch noch 100 Meter weiter auf uns: Der Sprung ins herrlich warme Meer – natürlich in Radhose. Welch ein Abschluss.

Aktive plus Supporter. Von rechts-außen-oben im Uhrzeigersinn: Matthias (wo ist Sylvie?), Mathias, Elmar, Barbara, Suse, Jogel, Andreas, Iwan, Anna-Sophia

Und dann natürlich die Abschlussparty, auf der wir – dass kann ich ohne Übertreibung sagen – mehrere Bier über den Durst tranken. Ein Spaß sondergleichen. Mir widerfuhr noch eine, nein widerfuhren noch zwei Ehrungen neben der eigentlichen Siegerehrung: Denn Mathias (für seine Sylvie – siehe Bericht von gestern) und Wiehenreiter-Elmar hatten beide noch ein 17-Stunden-zum-Ruhm-Buch erstanden und wünschten sich eine Widmung. Ach, manchmal kann ich gar nicht glauben, dass mein kleines Werk so sehr Gefallen findet.

Auf jeden Fall sind gemeinsame Treffen mit den "Wiehenreitern" geplant. Die hatten übrigens den B-Bus (in den sie sich einen Abend vorher hinein gekämpft hatten) nicht verpasst und uns tatsächlich noch neun Minuten abgenommen. Aber hey, wir meinten natürlich nur, dass wir das ganz sicher verwaltet hätten.

Was blieb? Auf jeden Fall die äußerst lange Heimfahrt von Anna und mir. Die wir in Roth, wo wir noch schnell ein paar Buch-Flyer verteilen wollten, noch um zwei Stunden verlängerten. Und sonst? Nun ja, jetzt ist wieder Alltag. Der täglich Gang ins Büro, und zwei Tage hintereinander Blog tippen.

Training? Nö, diese Woche lassen wir die Angelegenheit mal in Ruhe sacken. Der Körper möchte ein wenig Erholung.

Was kommt? Nun ja, die Einschreibung für Klagenfurt haben wir geschafft (siehe oben). Es gibt also ein neues Ziel. Aber habe ich genügend Motivation, um voll weiter Gas zu geben? Schon nach Lanzarote war auch bei mir ein wenig die Luft raus. Die Alpen haben mir zwar sehr viel bedeutet, ich fühle mich nach vier Jahren endlich im Reinen mit mir und diesem Gebirge, aber kann ich den Takt jetzt einfach so wieder aufnehmen? Da steht ja auch noch eine Hochzeit ins Haus. Und dafür muss auch jede Menge organisiert werden.

Bald wird geheiratet! Jipiiee!

Uuh, ich weiß es alles noch nicht. Und wer schon meinen Blog 2005 (findet Ihr auf der Mythos-Ironman-Hawaii.de-Seite) gelesen hat, der weiß, dass ich kein Motivationsüberflieger bin. Klar, wenn es um das Motivieren von anderen geht, dann schon – aber bei mir selbst? Es ist halt ein ständiges Auf-und-Ab. Und mein Ziel für dieses Jahr habe ich erreicht.

Auf der anderen Seite: Mein neuer Syntace-Clip liegt schon bereit (nachdem Anna meinen alten nicht mehr hergeben möchte), und er soll ja auch zum Einsatz kommen oder?! Was meint Ihr?

Ich werde mich nun bis Montag Abend mal zurückziehen. Brauche ein paar Tage, ein paar Abende schreibfrei (muss ja tagsüber auch schon in die Tasten hauen). Ihr könnte ja den RSS-Feed einsetzen!

Also sehen wir uns am Dienstag wieder – wenn Ihr mögt!

Bis dahin verbleibe ich, wie immer, mit ganz herzlichen Grüßen,

Euer Alpenbezwinger-ohne-Absteigen-, oder auch Dämonenvertreiber-mathias

11 Kommentare:

RoadrunnerHH hat gesagt…

Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Meistern der Tour!
Ich freu mich schon was jetzt als nächstes so kommt!

Nach meiner ersten Kurzdistanz in Hamburg in 2:48 wird das Triathlonfieber größer! Na ja nächstes Jahr noch keine Langdistanz, dafür ist im Moment etwas wenig Zeit aber ich werde am Ball bleiben.
Habe dann auch in Hamburg Dirk das erste Mal live gesehen als er mit einem breiten Grinsen in den Zielkanal beim Cityman lief. Echt ne Motivation!
Ach ja alle die vielleicht auch in Hamburg über die OD gestartet sind. Schwimmstrecke war 1650m. Upsolut hat das später zugegeben, dass die Strecke zu lang war.
Freue mich auf den Blog nächste Woche und Dir Mathias erstmal eine ruhige Woche nur mit arbeit und ganz entspannt!

Viele Grüße

Florian

Bergedorf_Björn hat gesagt…

na herrlich!

schön das du mit den bergen jetzt im "reinen" bist. glückwunsch!
war übrigens auch in roth. bin da noch kurzfristig in eine gesponserte firmenstaffel gerutscht. durfte zum gück den schwimmteil übernehmen. was bei dem wetter bestimmt der beste part war. was für ein "schei...." wetter. die ganzen einzelstarter waren echte helden. das ganze hat mir aber nicht wirklich dabei geholfen mich selbst für eine langdistanz zu motivieren. da meine ergebnisse dieses jahr über sd und od total motivierend sind bleib ich wohl noch ein jahr dabei. hoffe wir sehen uns bald mal wieder auf´m deich. schöne grüsse, björn

Tim hat gesagt…

hey mathias!

das klingt ja echt spannend ;-)
naja wenn du motivationsprobleme hast, dann sag bescheid, uns bloglesern fällt dann sicherlich was ein.
will nächstes jahr evtl beim zürich ironman starten, da sind noch 1200 plätze frei, muss aber erstmal meine abitermine abwarten und sonst gibt es eine halbdistanz und den hamburg marathon.
macht ihr dieses jahr auch noch sprinttriathlons oder so?
könnte den triathlon VT, ST und OD empfehlen:
http://www.kiel-triathlon.de/html/news.html

soll da auch selber beim VT starten ;-)

Grüße
Tim

PS: Bin leider die nächsten beiden Wochen weg, dann mußt du mathias in der zeit leider für mich mittrainieren, weil ich nur meinen neo mitkriege.
diese woche gönne ich dir die pause, danach mußt du meinen part übernehmen. ;-)

Unknown hat gesagt…

Moin Moin aus Norderstedt....
Klagenfurt ich komme ;-) Bin auch angemeldet.
Weiterhin viel Spaß, klingt sehr geil Eure Bergtour!

Gruß, Marc

Maik hat gesagt…

Moin Mathias,
erst einmal bzw. nochmal Gratulation dazu das Du es geschafft hast,- das Du Deinen Dämon trotz der Rückschläge die kalte Schulter gezeigt hast. Freue mich jetzt schon auf Eure Klagenfurt-Vorbereitung, auch wenn ich selbst aufgrund der irrsinnig schnellen Ausbuchung keinen Platz mehr bekommen konnte. Wie es mit dem Blogg weiter geht werden wir sehen, aber mit Sicherheit werden wir uns in der Vorbereitung (morgens um 6:30 Alsterschwimmhalle - stöhn, bei Regen am Deich - aah!) noch öfter über den Weg laufen. Mittlerweile habe ich mich von meinem DNF auch erholt und alles gut verdaut - die Entscheidung abzubrechen war im Nachhinein richtig und jetzt frustriert etc. zu sein das wäre nur Jammern auf höchstem Niveau und da es mir / uns ansonsten richtig gut geht wollen wir damit auch gar nicht erst anfangen ;-) Weiter geht's! Übrigens: Bergedorf-Björn und (wenn schon) Reinbek-Maik :-))

Anonym hat gesagt…

Gratulation zum überwinden der Dämonen. Wirklich inspirierend dein Blog, ich denke schon daüber nach mir eine kompakt-Kurbel zu holen... grüße frank

Anonym hat gesagt…

Was soll man sagen, außer: GRATULATION!!!

Erhol dich gut!
Mark

Anonym hat gesagt…

Respekt - Glückwunsch - schöner spannender Bericht - tolle Bilder -super Leistung!

Klagenfurt, ich komm auch.

Björn: Also das Wetter in Roth war so ziemlich das brutalste was ich bisher erlebt habe bei einem Wettkampf. So unmotiviert war ich noch nie!

Was für eine Frage, auf jeden Fall sollte es hier weiter gehen,

in diesem Sinne bis nächste Woche :) und gute Regeneration!
Grüsse Andrea

Anonym hat gesagt…

Halli Hallo,

Herzlichen Glückwunsch zu dieser super genialen Leistung! Respekt.... Hut ab.... :-)

Und ich freue mich riesig für Euch, dass Ihr einen Startplatz bekommen habt! Bin schon ganz gespannt wie der Blog weitergeht! Ich freue mich schon darauf.

Viele Grüße
Cornelia

Anonym hat gesagt…

Hey Mathias!!!
...CONGRATULATIONS aus Buxtehude!!!... ;->
Wahnsinn, wie ihr das alles immer so meistert!... bin immer wieder aufs Neue fasziniert!!!... ;-)
Klagenfurt schaffe ich leider wohl nicht, aber es reizt mich immer mehr, auch mal einen IRONMAN zu bezwingen!... ihr macht Appetit auf MEHR!!! DANKE dafür!!!... :-)
liebe Grüße!!! *Alex*

Bibione Ferienhaus hat gesagt…

Ich hatte eine tolle Zeit mit dem Lesen von Ihren fantastischen Reise, sieht aus wie Sie einige spannende Momente hatte.